Kultur trotz(t) Corona

Warum wir dafür kämpfen müssen, elefantenfrei zu werden

 

Diesen Text hier zu schreiben fühlt sich ein bisschen so an, wie in einem Raum mit zwei Freunden zu stehen, die gestern auf einer Party rumgeknutscht haben und denen es jetzt unangenehm ist. Es fühlt sich an, als könnte man den Elefanten im Raum nicht ignorieren, aber nichts mehr wollen, als eben genau das; eine elefantenfreie Zone, in der die letzte Zeit einfach nicht existiert, in der die vorherigen Sorgen, die eigentlich schon genug waren, die mehr oder weniger tiefsinnigen Kneipengespräche bestimmen und nicht dieses eine blöde Ding, dass man ungeschehen machen möchte, mit welchen Mitteln auch immer. Diesen Text zu schreiben fühlt sich ein bisschen so an, als wäre nicht nur ein Elefant im Raum, sondern gleich eine ganze Elefantengroßfamilie inklusive des einen rechten Onkels, der auf Familientreffen immer „vergessen“ wird einzuladen. Die Zusammenstellung dieser Elefantenfamilie ist komplex, so komplex, dass sie häufig vereinfacht dargestellt wird, wenn man der breiten Masse die Elefantenfamilie vorstellt. Hört man diese vereinfachte Darstellung, so kann man zu drei Annahmen kommen; zwei davon sind falsch und gleichzeitig, die, die am häufigsten Anklang in unseren Köpfen finden:

  1. Ich denke, weil ich weiß, wer die Mutter von wem ist, habe ich verstanden, wie eine ganze Familie funktioniert und wie die einzelnen Elefanten zueinanderstehen. Ich sehe keinen vernünftigen Grund, mich mit dem Thema weiter zu beschäftigen, auch wenn es eine eigentlich doch große Relevanz für mich, meine Familie und/oder Freunde hat.
  2. Ich weiß, wer mit wem verheiratet ist, bin mir aber sicher, dass in Wahrheit alles ganz anders ist, die Elefanten eigentlich Nashörner sind, an denen experimentiert wurde, weil die Ähnlichkeiten, wie Hautfarbe und Beinanzahl nicht von der Hand zu weisen sind
  3. Ich weiß, welches Elefantenpaar was für Kinder in die Welt gesetzt hat, bin mir aber bewusst, dass eine Familie viel komplexer ist, als nur ein reiner Stammbaum. Da ich mir der Relevanz für das Thema bewusst bin werde ich mich weiter informieren um den Sachverhalt und die Zusammenhänge mit anderen Themen, wie zum Beispiel der Zusammenhang mit meiner eigenen Familie verstehen und nachvollziehen zu können; (oder, wenn mir bewusst ist, dass die Elefantengroßfamilie nicht wirklich relevant ist, bin ich mir über mein Nicht-Wissen bewusst und handle dementsprechend(diese Option lassen wir jetzt mal außen vor, da diese Elefantengroßfamilie jeden einzelnen Menschen betrifft))

Die dritte Option ist eigentlich die plausibelste, jedoch auch die unbequemste. Warum nicht einfach dem komplizierten Weg entfliehen und in der eigenen Blase weiteleben; es funktioniert schließlich mehr als gut. Warum nicht den Vorfall mit dem Freund aus der letzten Nacht ignorieren, bis sich alles wieder normalisiert hat, anstatt sich damit und schließlich auch mit sich selbst auseinander zu setzten. Es zwingt ja schließlich niemand einen, warum nicht bequem sein? Warum mit der Elefantengroßfamilien aus Sorgen und Problemen auseinandersetzen, wenn man sie nicht auch einfach ignorieren kann? Naja, um bei Elefanten zu bleiben: Schafft man diese Elefantenfamilie nicht weg (nichts gegen Elefanten, aber wir wollen hier zu einer elefantenfreien Zone kommen, damit eben keine Elefantengroßfamilie im Raum ist, die wir eigentlich dringend loswerden wollen), so wird sie immer größer und hartnäckiger. Um elefantenfreie Räume schaffen zu können, müsste man handeln. Müsste verstehen, wie diese Familie entstanden ist, sonst muss man gar nicht erst anfangen, die jetzige Generation verstehen zu wollen. Man müsste verstehen, wie die einzelnen Elefanten miteinanderzusammenhängen, ansonsten kann man sich des Ausmaßes und der Komplexität nicht bewusst sein, da viele wichtige Beziehungen vergessen werden würden. Würde man die Elefanten aus dem Raum schaffen wollen, so müssen man sich mit ihnen als Individuen beschäftigen und das große Gesamtbild verstehen. Man müsste sich bewusst werden, warum es wichtig ist, dass Elefanten in der Zukunft immer kleinere Rollen spielen. Und man müsste sich bewusst werden, dass es häufig nicht reicht, sich mit vereinfachten Darstellungen zu begnügen.

Elefanten wie Rassismus und Polizeigewalt, Sexismus, Corona mit all seinen Verschwörungen, Queerphobie oder das Brechen des Asylrechts dürfen nicht mehr weiter einfach so im Raum stehen und ignoriert oder gar weiter gefördert werden. Wir M Ü S S E N anfangen, mit allem was in unserer Macht steht, diese Elefanten klein zu machen. Damit wir irgendwann Kneipengespräche führen können, in denen keines dieser Wörter vorkommt. Damit die Frage nach dem Sinn des Lebens nach zu viel Bier wieder wichtiger wird.

Damit der ganze elefantengefüllte Platz frei wird und uns A L L E N wieder Luft zum Atmen gibt.

Rosa Decker (EF)